Willi Gerckens
(1.11.1895 Hummelsbüttel - ?)
Bürgermeister von Hummelsbüttel, Ortsgruppenamtsleiter der NSV, Ortsgruppenleiter der NSDAP Hummelsbüttel
Gerckensplatz, Hummelsbüttel (1970): nach der Hummelsbüttler Bauernfamilie. Aus ihr entstammte der letzte Landwirt aus Hummelsbüttel, Willi Gerckens
Willi Gerckens war der Sohn des Halbhufners Hermann Friedrich Gerckens (1865-1903) und dessen Ehefrau Angelique Bernhardine Theodora Gerckens, geborene Mohr, Tochter eines Lehrers und geboren 1866. Einer ihrer Söhne war der Landwirt und Bürgermeister von Hummelsbüttel Hans
Willi Gerckens war seit 1923 mit Paula Margaretha Harder geheiratet. 1) Er hatte den elterlichen Hof 1938 übernommen.
Von 1921 bis 1933 war Willi Gerckens Vertrauensmann des Schleswig-Holsteinischen Bauernvereins. In der NS-Diktatur übte er von 1933 bis 1945 das Amt des Ortsbauernführers aus.2)
Im Februar 1932 war Willi Gerckens Mitglied der NSDAP geworden (Mitgliedsnummer: 960057) und blieb dies bis Kriegsende 1945.
Von 1933 bis zur Eingemeindung Hummelsbüttels in Hamburg fungierte Willi Gerckens als ehrenamtlicher Bürgermeister für Hummelsbüttel. 3)
Von 1933 bis 1945 war Willi Gerckens zudem Mitglied der NSV (Nationalsozialistische Volksfürsorge). Dort bekleidete er das Amt des Ortsgruppenamtsleiters. Die NSV war mit „17 Mio. Mitgliedern (1943) nach der Dt. Arbeitsfront die größte (…) NS-Massenorganisation. (…) Ihren Anspruch auf Monopolisierung der gesamten freien und öffentlichen Wohlfahrt konnte die N. zwar nicht realisieren, doch gelang es ihr, die in der freien Wohlfahrtspflege tätigen Verbände zurückzudrängen bzw. gleichzuschalten (…). Angesichts der ihr zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel (Mitgliedsbeiträge, Spenden, staatliche Zuwendungen) war es ihr n möglich, in alle Bereiche der Wohlfahrt zu expandieren (…). Aufgrund ihrer scheinbaren Ideologieferne war die Arbeit der N. populär und die Mitgliedschaft erschien auch für diejenigen, die dem Regime eher zögernd oder kritisch gegenüberstanden, aber aus Opportunitätsgründen in eine Parteiorganisation eintreten wollten, akzeptabel. Tatsächlich war die Arbeit der N. von rasse- und erbbiologischen Selektionskriterien bestimmt (…).“4)
Außerdem war Willi Gerckens von 1935 bis 1945 Mitglied der DAF (Deutschen Arbeitsfront). Die Deutsche Arbeitsfront wurde im Mai 1935 gegründet und war ein rechtlich der NSDAP angeschlossener Verband „mit ca. 23 Mio. Mitgliedern (1938) die größte NS-Massenorganisation. Als Einheitsgebilde ‚aller schaffenden Deutschen‘ konzipiert, schuf ihr Reichsleiter Robert Ley ein vielgliedriges, bürokratisch aufgeblähtes Organisationsimperium, mit dem er nahezu alle Felder der nat.soz. Wirtschafts- und Sozialpolitik einzudringen trachtete. Entscheidender Einfluß auf materielle Belange in diesem Bereich blieb der DAF jedoch verwehrt, vielmehr musste sie sich auf die allgemeine Betreuung und weltanschauliche Schulung ihrer Mitglieder beschränken.“5)
Auch war Willi Gerckens von 1935 bis 1945 Mitglied im Reichskolonialbund und von 1934 bis 1945 im Reichsluftschutzbund. Und er war 1925 in den Kyffhäuserbund eingetreten, der in der NS-Zeit in den Reichskriegerbund übernommen worden war.
Für seine 10-jährige Mitgliedschaft in der NSDAP erhielt Willi Gerckens das Ehrenzeichen der NSDAP überreicht.
Ab dem 1. Juni 1940 wurde Willi Gerckens Kriegsvertreter des zur Wehrmacht einberufenen Ortsgruppenleiters der NSDAP in Hummelsbüttel. Dieses Amt bekleidete er bis Kriegsende 1945. 6)
Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus war Willi Gerckens von 1945 bis 1948 in Hamburg interniert. Im Rahmen der Internierung wurde Willi Gerckens angeklagt und ihm der Prozess gemacht. In dem Urteil heißt es u. a. über Willi Gerckens NS-Aktivitäten: „Als Kriegsvertreter des Ortsgruppenleiters gehört der Angeklagte zur Gruppe A 4 (…) der Militärregierung. Der Angeklagte ist beschuldigt, während seiner Zugehörigkeit zum politischen Führerkorps gewusst zu haben, dass diese Organisation zu Handlungen verwendet wurde, die gemäss Art. 6 des Statuts des Internationalen Militärgerichts für verbrecherisch erklärt sind (…).
Auf dem Gebiete der Judenverfolgung während des Krieges war dem Angeklagten lediglich die Kenntnis vom Zwang der Juden zum Tragen des Davidsterns nachzuweisen. Hierbei handelt es sich aber um eine staatliche oder polizeiliche Massnahme.
Dass dem Angeklagten Tatsachen über eine Mitverantwortlichkeit des politischen Führerkorps für diese Massnahme bekannt waren, liess sich nicht feststellen. Das Leugnen einer entsprechenden Kenntnis seitens des Angeklagten erscheint bei seinem offensichtlich geringen Intelligenzgrad, bei der abseitigen Lage seiner Ortsgruppe und angesichts der Tatsache, dass der einzige dort seit 1942 wohnende Jude unbehelligt geblieben ist (…) nicht unglaubwürdig.
Dass es Konzentrationslager gab und Personen, die sich ‚staatsfeindlich‘ betätigt hatten, dort festgehalten wurden, gibt der Angeklagte zu, gewusst zu haben.
Dem bestreitenden Angeklagten war aber nicht nachzuweisen, dass er von der Mitwirkung des politischen Führerkorps bei der Verfolgung politischer Gegner, insbesondere von der Pflicht der politischen Leiter zur politischen Ueberwachung der Bevölkerung und zur Weitergabe von Anzeigen über politische Verfehlungen an den Kreisleiter sowie von der Zusammenarbeit der Kreisleitung mit der Gestapo Kenntnis gehabt hat.
Die Erfahrung, dass die Ortsgruppenleiter diese Tatsachen im allgemeinen kannten, genügte dem Gericht angesichts der Persönlichkeit des Angeklagten und der oben erwähnten besonderen Verhältnisse nicht, um eine entsprechende Feststellung bei dem Angeklagten zu treffen.“ 7)
Willi Gerckens wurde von der Spruchkammer Bielefeld freigesprochen. Als Entlastungspunkte wurden auch die Leumundszeugnisse - im „Volksmund“ als „Persilscheine“ bezeichnet -, die Willi Gerckens beigebracht hatte, berücksichtigt.
Seinen 1932 erfolgten Eintritt in die NSDAP begründet Willi Gerckens „mit der damals katastrophalen wirtschaftlichen Notlage, insbesondere der Landwirtschaft. Er war seiner Zeit von dem propagandistischen Wirken der NSDAP beeindruckt worden, die eine allgemeine Besserung der sozialen Verhältnisse, jedem sein Recht auf Arbeit und der Früchte seiner Arbeit versprach, und vor allem, was Herrn Gerckens als Landwirt am meisten ansprach, der Landwirtschaft ein besonderes Lebensrecht zusicherte. (…).“ 8)
Abschließend heißt es im „Fragebogen Action Sheet“ des Entnazifizierungsverfahrens, Bericht des Beratenden Ausschusses: „Gerckens ist anzusehen aufgrund seiner Tätigkeit als Ortsgruppenleiter und Ortsgruppenamtsleiter als Aktivist: Nicht tragbar in leitenden Stellungen der Behörde und der Wirtschaft“ (31.5.1948) 9)
Der Fachausschuss im Entnazifizierungsverfahren entschied hingegen: „tragbar für die bäuerliche Selbstverwaltung. Keine Konten- und Vermögenssperre, keine Geldbuße. (26.12.1948).“ 10)
Einstufung in Kategorie IV. Siehe dazu unter: www.hamburg.de/ns-dabeigewesene/4478998/5-belastungskategorien-entnazifizierung/