Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Alfred Kühne

(14. April 1895 Bremen - 16. Oktober 1981 Lenzerheide, Schweiz)
Unternehmer
Adresse: Adolphstraße 22 (1933), Heilwigstraße 128 (1940)
Wirkungsstätte: Kühne & Nagel, Raboisen 40
Fuhlsbüttler Straße 756, Ohlsdorfer Friedhof, Grablage: 0 27, 85-94


Alfred Kühne trat 1910 in den Speditionsbetrieb des Vaters ein und absolvierte in der Hamburger Niederlassung eine kaufmännische Lehre. Während des Ersten Weltkriegs war er als Kavallerieoffizier im Einsatz. Nach Kriegsende arbeitete er kurzzeitig in den Niederlanden, bevor er 1921 die Leitung der Importabteilung von Kühne & Nagel übernahm. Im Jahr 1923 erhielt er seine Prokura. Gemeinsam mit seinem Bruder Werner Kühne wurde er 1928 zum Teilhaber der Firma ernannt, als Teilhaber des Hamburger Hauses war zudem Adolf Maass, der mit 45% der Anteile beteiligt war, zu berücksichtigen. Nach dem Tod des Vaters Alfred Kühne Senior im Jahr 1932 übernahm Werner Kühne die Leitung des Stammhauses in Bremen und Alfred Kühne Junior die Hamburger Dependance. Im Jahr 1933 wurde Adolf Maass als Teilhaber ohne Abfindung aus der Firma gedrängt. Ein politischer Grund ist nicht auszuschließen, da Adolf Maass jüdischen Glaubens war und 1942 aus Hamburg deportiert und in Auschwitz ermordet wurde. Für ihn und weitere Familienmitglieder wurden in Hamburg Stolpersteine verlegt (www.stolpersteine-hamburg.de).

Zum 1. Mai 1933 traten die Brüder Kühne in die NSDAP ein und arrangierten sich mit dem NS-Regime. Kühne & Nagel entwickelte sich in den kommenden Jahren zum nationalsozialistischen Musterbetrieb und wurde 1937 mit dem Gaudiplom ausgezeichnet. 1939 hatte das Unternehmen Niederlassungen in sieben Städten und beschäftigte 600 Mitarbeiter. Während des Zweiten Weltkriegs kam das Überseegeschäft zum Erliegen. Kühne & Nagel übernahm jedoch neue Aufträge. Das Unternehmen transportierte im großen Stil Möbel und andere Haushaltsgegenstände von zuvor deportierten Juden aus Frankreich, Belgien und den Niederlanden nach Deutschland, insbesondere in den Hamburger Hafen. Dort wurden die enteigneten und geraubten Möbel und weitere Gegenstände zu sehr günstigen Preisen versteigert. Über dieses Kapitel der Firmengeschichte gibt Kühne & Nagel keine oder nur zögerlich Auskunft, so dass viele Fragen noch nicht abschließend geklärt werden konnten. Recherchen des Politikmagazins Kontrovers gehen davon aus, dass die Speditionsaufträge für Kühne& Nagel ein lukratives Geschäft gewesen seien.

Kühne & Nagel arbeitete auch „für den sogenannten ‚Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg‘, dessen Aufgabe das Aufspüren bedeutender Kunstwerke in den besetzten Ländern war. Im Auftrag dieser Kunstraub-Organisation führte Kühne & Nagel etliche Kunsttransporte durch. Im Zeitraum von 1941 bis 1944 sind 29 Transporte allein von Paris ins Reich belegt.“ 1)

Nach Kriegsende wurden beide Brüder, Werner und Alfred Kühne entnazifiziert und als Mitläufer eingestuft, die Möbeltransporte wurden in den Entnazifizierungsverfahren nicht erwähnt. Bis heute konnte nicht eindeutig geklärt werden, warum die beiden Brüder ihr Speditionsgeschäft recht schnell nach Kriegsende wieder aufnehmen konnten.
Ab 1948 ging der Wiederaufbau der Firma schnell voran. Im Hamburger Freihafen baute Kühne 1950 eine moderne Lager- und Umschlagsanlage. Kühne & Nagel expandierte, im Jahr 1965 hatte die Firma bereits 82 Niederlassungen und Schwestergesellschaften in 30 Ländern weltweit.
1951 war Werner Kühne bereits aus dem Geschäft ausgeschieden, 1963 trat Klaus-Michael Kühne, Sohn von Alfred Kühne als Juniorpartner ein; 1966 übernahm dieser die Leitung der Firma.
Text: Katharina Tenti