Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Adolf Putfarken

(22. Februar 1902 Kirchwärder – 27. Juli 1954 Hamburg-Bergedorf)
Landwirt
Firmenlager für Zwangsarbeiter*innen
Rahweg / Rieselfeld „Polenlager“
Barackenlager, bestand im September1941


Adolf Putfarken, seit 1929 selbständiger Landwirt, Eigentümer eines Landwirtschaftsbetriebes mit Rhabarberzucht, Gemüsebau und Versand, unterhielt landwirtschaftliche Betriebe in Hamburg-Niendorf im Rahweg, in Kirchwärder 1, Hausdeich 226, sowie den Betrieb Worth und den Betrieb Hohenhorn in Geesthacht.

Er war seit 1934 Mitglied der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV), seit 1940 Mitglied und Kassierer beim Deutschen Roten Kreuz. Von der Entnazifizierungskommission wurde er im September 1946 nicht einkategorisiert, und konnte seine berufliche Stellung behalten.

Im Rahweg war Hermann Mohr, Schnelsen, Altonaerstraße 77, als Lagerführer eingesetzt, sein Stellvertreter Hermann Winkel als Bewacher, „nur Nachts in der Baracke“.

Galina Alexandrovna Unton aus Oredezh/Russland berichtet als Zeitzeugin 2006 in einem Interview von der Ankunft in Hamburg und der Aufnahme und Arbeit in dem Gemüseanbaubetrieb bei Adolf Putfarken. Sie arbeitete bei ihm auf den Rarbarberfeldern in Kirchwärder und Hohenhorn:

„..Ein Mann im Alter von 45 Jahren, stellte sich vor, dass er Adolf Budfarken heißt, dass er sich Arbeiter aussuchen wird: Es soll um die Feldarbeiten handeln. Ihr werdet Rhabarber pflücken. – Wir wussten damals nicht, was Rhabarber war. Ins Russische übersetzt heiß es ja Reven‘. Er kam zu mir. Ich konnte etwas Deutsch. Ich hatte es in der Schule. Ich konnte etwas verstehen. Er kam zu mir und fragte: Sie sind alleine gekommen? – auf Deutsch. Ich antwortete: Nein, wir sind zusammen gekommen, hier sind mein Bruder und meine Mutter. Er fragte, wie wir sind. Ich antwortete ihm. Darauf sagte er: Gut, ich nehme euch alle drei. – Ich wollte wissen: Man wird uns nicht trennen? – Er sagte: Nein, ich werde euch nicht trennen, nehme alle drei. – Dort waren noch andere Familien, der Rest, niemand wollte Familien, so wie unsere, die aus Minderjährigen und Alten bestand. Es blieben nur noch 15 Mann übrig. Er nahm uns alle zu sich. Das waren 4 Familien, insgesamt 15 Menschen. Er nahm alle mit, brachte uns nach Kirchwerder 1. Diese Adresse weiß ich bis heute noch. Dort standen Baracken. In diesen Baracken wohnten schon Ukrainer. Dort bekamen wir etwas zu essen. Wir verbrachten dort eine Nacht. Und Budfarken selbst wohnte vielleicht einen Kilometer vom Lager entfernt. Von dieser Baracke. Dort hatte er ein schickes dreistöckiges Haus. Dort lebte er zusammen mit seinem Sohn und seiner Frau – zu dritt. Eine dreiköpfige Familie. Wir verbrachten eine Nacht in der Baracke und wurden anschließend nach Hohenhorn gebracht. Das sind vielleicht 20 km von dem Ort, wo wir erst angekommen waren, wo er uns zuerst hingebracht hatte. Dort standen 3 Baracken. In der einen Baracke wohnten Polen. Sie arbeiteten dort seit 1941 für ihn. Das waren ca. 50 Polen. Die Baracken bildeten zusammen einen Buchstaben «П». In der einen Baracke wohnten Polen. In der Nächsten war also die Küche, Keller, auf der einen Seite war die Toilette und auf der anderen auch – beide draußen. Und in der Baracke selbst war auf einer Seite der Duschraum für die Polen, und auf der Seite zu unserer Baracke war der Duschraum für uns, für Russen. Es gab dort aber keine Russen vor uns. Man brachte uns unter. In den Zimmern, 4 Personen pro Zimmer. Es waren mehr Familien mit 3 oder 4 Mitgliedern. Familien mit 3 Personen bekamen ein Zimmer zugeteilt, Familien mit 4 Personen auch eins. Es gab auch andere Familien – also, für 4 Personen ein Zimmer, ob mit Familie oder ohne. Es standen zweistöckige Pritschen, aus Metall, mit Netz. Es gab natürlich Matratzen, Decken, es gab auch Bettlaken und Kissen. Es waren Betten… und bei uns im Zimmer war es auch sauber. Das Zimmer war so groß, wie hier, ca. 12 qm. So lebten wir dort, in diesem Zimmer. Wir arbeiteten im Feld bei der Rhabarberernte. In einem Teil unserer Baracke wohnte zusammen mit uns unser Verwalter. Nicht der Chef persönlich, sondern der Verwalter. Er hieß Bruno… Morgens weckte uns der Verwalter. Er ging an jedem Zimmer vorbei, klopfte an und sagte: Heute aufstehen! – und dann im nächsten Zimmer, – Heute aufstehen! – Alle stiegen in ein Auto ein. Das war ein Traktor mit Anhänger, und so brachte man uns zum Feld. Wir legten Strecken bis zu 10 km, ab und zu bis zu 15 km, sogar manchmal bis 40 km zur Arbeit zurück. Wir nahmen Thermosflaschen mit Essen. Es gab Küche… Meine Mutter arbeitete dort, da man sie zu den bejahrten Menschen zählte; es gab noch drei andere Frauen in diesem Alter zwischen 40-45 Jahre alt… Der Chef ließ sie zu Feldarbeiten nicht, sie arbeiteten in der Küche. Sie halfen dort aus: Mittagessen kochen, Kartoffeln schälen. Sie mussten früh aufstehen. Wir fuhren um halb 9 zur Arbeit, und das Frühstück musste schon fertig sein, wir frühstückten, auch das warme Mittagessen musste fertig in der Thermoflasche sein, das warme Mittagessen hatten wir auf dem Feld. Es gab dort Teller, alles dabei: Löffel, etwas, woraus man trinken kann. Wir arbeiteten 12 Stunden täglich, ohne auf das Wetter zu achten. Ob es regnete oder schneite, war egal. Im Sommer ernteten wir diesen Rhabarber dreimal pro Saison. Das war… Er hatte vielleicht, was weiß ich, vielleicht 500 Hektar. Vielleicht 600. Ich weiß nicht. Sehr viel. Und jetzt sagte man uns, dass er 1000 Hektar hatte, Acker mit Rhabarber. Er war sehr schön gepflanzt, in Reihen. Aus welcher Richtung man schaute, von hier aus war eine Reihe zu sehen, und von hier aus eine Reihe – man sah ihn in Reihen wachsen. Alles in Reihen, egal aus welcher Richtung man schaute. Und also… in der Mitte aller vier Reihen stand ein Tisch. Das war ein Tisch mit einer Vorrichtung. Zwei Reihen auf einer Seite pflückte ich, die andere Seite machte ein anderes Mädchen. Der Rhabarber war hochgewachsen mit solchem Stängel. Wir legten ihn auf diesen Tisch, und es gab einen Menschen für zwei Tische, der diesen Rhabarber dort zusammenschnürte… Es war eine Straße. Zur Straße. Andere Arbeiter kamen angefahren, luden ihn auf den Traktor und fuhren ihn weg nach Hamburg. Er hatte in Hamburg eine eigene Fabrik. Diese Fabrik zählte damals militärstrategisch zu wichtigen Objekten. Daraus machte man Marmelade, Wein, noch andere Getränke. All das brachte man dann an die Front für Soldaten. Deswegen wurde unser Chef nicht einberufen. Weil… hm… weil er als Soldat in der Rüstungsindustrie tätig war, er hatte eine Freistellung, auf Russisch heißt es Bronja [dt. Panzerung]. Und im Winter ernteten wir natürlich keinen Rhabarber, da er nicht wuchs. Der Chef hatte viel Technik, er galt für damalige Zeit als sehr reich. Er hatte also technische Mittel dafür. Der Rhabarber wurde ausgegraben. Der Winter hier ist nicht so kalt, wie bei uns. Vielleicht 8 Grad oder 6. Es wurde mit Traktor ausgegraben. Und wir liefen hinterher und schnitten ihn mit Spaten in vier Teilen. Er hatte solche große Wurzeln. Wir schnitten ihn in vier Teilen. Und die anderen Arbeiter sammelten ihn auf und luden auf den Traktor. Dafür stand bereits ein Feld frisch aufgepflügt. Da setzten wir diesen Rhabarber rein, dieser alten Rhabarber und das Feld wurden auf diese Weise erneuert…“

192 Frauen sind in der Hausmeldekartei Rahweg nachgewiesen, die auf Putfarkens Ländereien in Hamburg-Niendorf und Hamburg-Kirchwerder bereits ab 1941 Zwangsarbeit leisten mussten.

In Hamburg-Niendorf waren die Frauen im Barackenlager Rahweg/Rieselfeld, auch genannt „Polenlager“, untergebracht, in Hamburg-Kirchwärder in Baracken im Lager Hausdeich 226.

Der Arbeitseinsatz erfolgte im Wechsel auf den Ländereien von Putfarken in Hamburg-Niendorf und in Hamburg-Kirchwärder.

Mindestens 25 Frauen waren bei der Zwangsarbeit auf den Ländereien von Adolf Putfarken schwanger oder schwanger geworden, 2 kamen von den Landwirtschaften Jacob Fock aus Finkenwärder oder aus Francop. 3 Kleinkinder wurden von ihren Müttern mitgebracht. Die meisten Frauen stammten aus Polen (eine Gruppe, die zeitgleich eintraf, aus Leslau / Polen), einige aus der Ukraine.

1 Kind kam in der Baracke des Lagers Rahweg / Rieselfeld zur Welt.

1 Kind kam in der Frauenklinik Finkenau, Hamburg-Uhlenhorst, zur Welt.

1 Kind kam im Allgemeinen Krankenhaus Harburg zur Welt.

1 Kind verstarb im Lager Rahweg/ Rieselfeld Baracke.

1 Kind verstarb in der Frauenklinik Finkenau, Hamburg-Uhlenhorst.

1 Kind verstarb im Gerhard Wagner Krankenhaus.

 

Durch die anhaltende Kriegssituation erhöhte sich der Bedarf an Arbeitskräften in der Rüstungsindustrie stetig. In den „kriegswichtigen“ Betrieben wurden verstärkt auch Zwangsarbeiterinnen eingesetzt. So erfolgte um und nach der Zeit der großen Bombenangriffe auf Hamburg ein Transport von 21 Säuglingen und 3 Kleinkindern mit ihren polnischen und ukrainischen Müttern aus Hamburg-Niendorf von dem Landwirtschaftsbetrieb Adolf Putfarken nach Schwarzenbek. Die Mütter mussten für die Hobus Werke in der Rüstungsindustrie Zwangsarbeit leisten und wurden mit ihren Kindern im Hobus-Lager Grabauerstraße untergebracht.

Die Ernährungs- und Lebensbedingungen waren für die 21 Säuglinge dort völlig unzureichend:

13 Säuglinge verstarben im Hobus-Lager Schwarzenbek nach kurzer Lebenszeit.

5 Säuglinge davon verstarben bereits am zehnten Tag nach ihrer Ankunft und

1 weiterer Säugling einen Tag später.

Text: Margot Löhr