Käthe Thiessen Dr. med. Käthe Thiessen
(20. Februar 1911 Hamburg – unbekannt)
Fachärztin für Kinderkrankheiten
Wohnung Erikastraße 98 (1953)
Von Hutten-Straße 3 (1953-61)
Von Hutten-Straße 6 (1962-70)
Käthe Thiessen war seit 1933 Mitglied der NSDAP, seit 1931 Scharführerin bei der Hitler Jugend (HJ), von 1931-1936 Referentin für den weiblichen Arbeitsdienst beim Nationalsozialistischen Studentenbund (NSDStB) und der Deutschen Studentenschaft; 1935/36 Referentin für Medizin. Seit August 1937 arbeitete sie als Volontärärztin an der Kinderklinik des Universitätskrankenhauses Eppendorf, zwischenzeitlich 1939 kam sie an die Universitätsklinik Bologna, war ab September 1938 als Wissenschaftliche Assistentin an der Universitätsklinik Eppendorf tätig.
Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus wurde Käthe Thiessen im November 1945 von der Britischen Militärregierung aus ihrem Dienst entlassen. Im Juli 1947 stufte die Entnazifizierungskommission sie in Kategorie V (entlastet) ein. Damit unterlag Käthe Thiessen keinen Beschäftigungsbeschränkungen mehr.
Käthe Thiessen war die behandelnde Ärztin des Säuglings Ludmilla Nividowa, geb. am 12.10.1944 in Hamburg, Tochter von Maria Nivodowa aus Gorki, geb. 1925, die nach Hamburg verschleppt worden war und hier Zwangsarbeit verrichten musste.
Einen Monat vor der Geburt ihres Kindes wurde Maria Nividowa am 11. September 1944 in der Frauenklinik Finkenau, Hamburg-Uhlenhorst, aufgenommen. Elf Tage nach der Entbindung erfolgte für Maria Nividowa und ihre Tochter Ludmilla, auch Lucie genannt, am 23. Oktober 1944 die Verlegung in das Ausweichkrankenhaus Wintermoor.
Laut Krankenhausliste wurde Ludmilla mit der Diagnose „Pneumonie Empyem“ (Lungenentzündung Eiteransammlung) am 4. Januar 1945 in das Krankenhaus Wintermoor eingeliefert, mit dem Zusatzvermerk „Mutter hier“. Demnach wäre ihre Mutter seit Oktober in dem Krankenhaus verblieben. Aus den Dokumenten erschließt sich nicht, wo sich Ludmilla in der Zwischenzeit aufhielt.
Einen Tag nach der Einlieferung, am 5. Januar 1945 um 0:45 Uhr, verstarb Ludmilla in „Ehrhorn, Kreis Soltau, Krankenhaus-Sonderanlagen, Aktion Brandt Anlage Wintermoor“. Als Todesursache ist in der Todesbescheinigung „Rippenfellentzündung“ angegeben und außerdem vermerkt, dass die Ärztin Thiessen Ludmilla seit dem 27. Dezember 1944 behandelt habe. Im Sterberegister lautet die Todesursache „Rippenfellvereiterung“.
Der Aufdruck in der Todesanzeige: „Krankenhaus-Sonderanlagen Aktion Brandt Anlage Wintermoor“ deutet darauf hin, dass Ludmilla durch gezielte Vernachlässigung, durch Verhungernlassen oder durch eine Überdosis von Medikamenten getötet wurde. (Auch ein weiterer Säugling, Serge Duvert, aus dem „Lager Tannenkoppel“, verstarb am selben Tag eine halbe Stunde später als Ludmilla. Auch für ihn wird im Sterberegister „Aktion Brandt“ angegeben.)
Text. Margot Löhr