Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Günther Jobst

(16.9.1994 Hannover – 25.10.1956 Hamburg)
Betriebsleiter der Valvo Radioröhrenfabrik G.m.b.H in Hamburg-Lokstedt
Clematisweg 8 (Wohnadresse)


Dr. Günther Jobst, geb. 16.9.1994 Hannover, von Beruf Physiker, Leiter der Röhrenentwicklung der Telefunken G.m.b.H. bis 1934, seit 1. Juli 1939 Leiter der Studiengesellschaft für Elektronengeräte m.b.H., Hamburg-Stellingen, und ab April 1942 zudem Direktor der Valvo Radioröhrenfabrik G.m.b.H in Hamburg-Lokstedt. Ende 1944 auch technischer Leiter der Hammer Werke G.m.b.H. in Porta/Westfalen.
Von 1940-1945 war er Mitglied der Deutschen Arbeitsfront (DAF) und als Angehöriger des Vereins ehemaliger 15. Husaren, korporativ dem NS-Reichskriegerbund angeschlossen.
Die Entwicklung der Elektronenröhren beruht auf seiner Idee „durch ein Bremsgitter den Übergang von Elektronen zwischen zwei auf positivem Potential gegen Kathode liegenden Elektroden zu sperren (DRP 608293, Juni 1926).“ Eine Anzahl grundlegender Arbeiten und Patente auf dem Röhrengebiet beruhen auf seinen Entwicklungen.
Am 4. Februar 1947 erfolgte gemäß den Anweisungen der Militärregierung seine sofortige Entlassung als Geschäftsführer aus der Philips Valvo-Werke G.m.b.H. Valvo Zweigniederlassung Hamburg-Lokstedt mit folgender Begründung:
„Dr. J. ist Militarist und hat als solcher die Kriegsproduktion in einem derartigen Umfang vorangetrieben, dass die Gesundheit der aus dem Konzentrationslager in der Nähe von Porta stammenden Arbeiter ernstlich gefährdet war. Als Betriebsführer daher untragbar.“
Der Betriebsrat der Philips Valvo Werke Lokstedt unter W. Piehl[1], wendete sich im Oktober 1947 mit einem Schreiben an den Berufungsausschuss 13: „Es ist unbestritten, dass Dr. Jobst nicht Mitglied der NSDAP war und auch nicht erwiesen, dass er im und ausserhalb des Betriebes für die Ziele der NSDAP eingetreten ist. Sein Wirken innerhalb des Betriebes liess jedoch erkennen, dass er die Kriegsziele mit Elan und grösster Energie durchzuführen bestrebt war. Das hat sich vornehmlich gezeigt in seinem Einsatz, seinen öffentlichen Reden und bei Prämierungen, die bei Kriegszielen dienten, wie etwa Räumung von Fabrikeinrichtungen und Material aus Eindhoven (Holland).
Ausserdem hat Herr Dr. Jobst veranlasst, dass Häftlinge aus einigermaßen annehmbaren Lebensbedingungen in der letzten Zeit vor Kriegsende noch in weitaus ungünstigere Verhältnisse nach Porta überführt wurden, um dort noch für die Kriegsproduktion zu wirken. Es handelt sich in dem letztgenannten Fall um Überführung von KZ-Häftlingen aus Horneburg, wo Baracken, Betten, Küche und Lebensmittel für diese zur Verfügung standen, nach Porta, wo für die Aufnahme zunächst in keiner Weise vorgesorgt war. Durch die Initiative von Herrn Dr. Jobst wurden in letzter Stunde noch Notunterkünfte in Bergwerksstollen hergerichtet. Die Überführung und Unterbringung dieser Häftlinge geschah selbst gegen Bedenken von NS-Organen, deren Meinung nach die Lebensbedingungen unzureichend waren. Es kann jedoch möglich sein, dass übergeordnete SS-Organe schließlich die Zustimmung zu dieser Übersiedlung gegeben haben. Das enthebt aber Dr. Jobst nicht von der endgültigen Verantwortung, diese Angelegenheit mit mehr Energie und Nachdruck durchgeführt zu haben, als konkret verlangt wurde.
Für diese letzte Angelegenheit nennen wir als Zeugen Herrn Oscar Pulitzer, Anschrift Philips Valvo Werke G.m.b.H., Zweigstelle Radioröhrenfabrik. Radioröhrenfabrik.Hbg.-Lokstedt, Stresemannallee 101.“
Er führte in seinem Bericht Herrn N. A. von Winterfeld als seinen Kollegen und als Mitglieder der Geschäftsleitung Herrn Berghausen - Betriebsverwaltung, Herrn Oertel - Fabrikationsleitung und Herrn Hellwege - Verkaufsabteilung an.
Dr. Günther Jobst wohnte in dieser Zeit noch immer an derselben Adresse wie während des Krieges, Clematisweg 8, mit Blick auf die Zwangsarbeitsbaracken auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Er verstarb am 25. Oktober 1956.
Text: Margot Löhr