Wilhelm Thedrian
(19.3.1891 Hamburg - ?)
Schrotthändler; Wachmann im KZ Neuengamme
Wirkungsstätte: KZ Neuengamme (heute: KZ Gedenkstätte, Jean-Dolidier-Weg 75)
Im „Offenen Archiv der KZ Gedenkstätte Neuengamme“ heißt es: „Wilhelm Ferdinand Hermann Thedrian wurde am 19. März 1891 in Hamburg als Sohn eines Schrotthändlers geboren. Nach der Volksschule ergriff er den Beruf des Vaters.
Thedrian wurde am 25. August 1944 zum 10. Landesschützenbataillon nach Wolterdingen eingezogen. Nach zwei Wochen wurde Thedrian von der Wehrmacht in den KZ-Dienst versetzt und kam in das Außenlager Hannover-Misburg des KZ Neuengamme. Im November 1944 begleitete er einen Sammeltransport mit kranken Häftlingen aus den Außenlagern Hannover-Misburg und Hannover-Stöcken ins Hauptlager Neuengamme. Am 19. Januar 1945 wurde Thedrian von der SS als Wachmann im Hauptlager übernommen. Bei der Räumung des KZ Neuengamme im April 1945 begleitete er einen Krankentransport mit über 3000 Häftlingen, dessen Ziel das KZ Bergen-Belsen war. Auf der Flucht vor den alliierten Truppen wurde der Transport zu einer Irrfahrt durch Norddeutschland, die schließlich nach mehreren Tagen im ‚Auffanglager‘ Sandbostel endete. Wilhelm Thedrian war dem Transport als Wachmann zugeteilt und für einen Waggon, in dem sich über 60 Häftlinge befanden, zuständig. Wegen ihres schlechten Gesundheitszustands und der katastrophalen hygienischen Bedingungen auf dem Transport starben zahlreiche Häftlinge. Auch Misshandlungen und Erschießungen wurden von als Sanitätern eingesetzten Häftlingen beobachtet, die die Leichen auf Anweisung der Wachmannschaften aus den Waggons werfen und in einen gesonderten ‚Leichenwaggon‘ bringen mussten.
Am 11. Oktober 1945 wurde Wilhelm Thedrian verhaftet. Bis zum 11. April 1947 war er im britischen Internierungslager Nr. 6 im ehemaligen KZ Neuengamme inhaftiert. Anschließend arbeitete er als Lumpensammler. Am 22. Juni 1947 wurde er erneut verhaftet und von den ehemaligen Häftlingen Robert Heins und Willi Hartung, die ihn angezeigt hatten, identifiziert. Daraufhin ermittelte die Staatsanwaltschaft Hamburg und nahm Thedrian in Untersuchungshaft. Auf Beschluss des Landgerichts Hamburg wurde Thedrian 1948 wieder freigelassen. In der Begründung wurden die Aussagen der ehemaligen KZ-Häftlinge abgewertet und als unglaubwürdig dargestellt. Demgegenüber wurden Thedrians Leben bis 1944 und sein Verhalten nach Kriegsende positiv herausgestellt. Indizien besagten, dass unter den Opfern auch ausländische Häftlinge, u. a. ein Franzose, waren. Für einen Prozess war nach dem im Oktober 1945 erlassenen Kontrollratsgesetz Nr. 4 in diesem Fall ein französisches Gericht zuständig. Deshalb erfolgte im September 1949 Thedrians Auslieferung an die französische Militärregierung. Am 17. Januar 1950 wurde Wilhelm Thedrian nach Kontrollratsgesetz Nr. 10, Verordnung Nr. 176 und § 233 ff. des französischen Strafgesetzbuches von einem französischen Militärgericht in Reutlingen zu 30 Monaten Haft und 200 DM Geldstrafe verurteilt, wobei die bereits verbüßte Untersuchungshaft angerechnet wurde. Weiteres ist über Thedrian nicht bekannt.“ [1]
Dokumente und Materialien über Wilhelm Thedrian, unter: http://media.offenes-archiv.de/ss1_3_2_bio_1939.pdf