Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Otto Thümmel

(10.10.1896 Braunschweig - ?)
Landwirt; Geflügelzüchter; KZ Neuengamme
Wirkungsstätte: KZ Neuengamme (heute: KZ Gedenkstätte, Jean-Dolidier-Weg 75)


Im „Offenen Archiv der KZ Gedenkstätte Neuengamme“ heißt es: „Otto Heinrich Thümmel, geboren am 10. Oktober 1896 in Braunschweig, meldete sich 1914 an die Front, war Reserveoffizier an der Westfront und verließ das Militär, nachdem er im Ersten Weltkrieg zweimal verwundet worden war. Er trat 1932 in die NSDAP ein; er selbst gab nach 1945 an, 1932 auch in die SS eingetreten zu sein. Über seine familiären Verhältnisse ist nichts bekannt. Thümmel wurde nach Kriegsbeginn zur Wehrmacht eingezogen und während der Zeit an der Front zum Hauptmann befördert. Im Frühjahr 1944 wurde er zum KZ-Dienst abkommandiert und im Wachbataillon Sachsenhausen ausgebildet. Auf eigenen Wunsch wurde er ins KZ Neuengamme versetzt. Hier trug er die Uniform der Waffen-SS mit dem Rang eines Hauptsturmführers. Thümmel sollte Werkstätten und Arbeitsräume im KZ Neuengamme inspizieren. Im September 1944 wurde er als Lagerleiter in das Außenlager Wilhelmshaven (Alter Banter Weg) versetzt. Hier mussten etwa 1200 Häftlinge für die Deutsche Kriegsmarine Werft- und Aufräumungsarbeiten verrichten. Thümmel wurde von ehemaligen Häftlingen als ‚menschlich‘ beschrieben, im Gegensatz zu seinem Nachfolger Rudolf Günther. Er überwachte die Rationierungen und inspizierte das Lager. Gewaltanwendungen durch ihn sind nicht bezeugt. Kapos durften weder Stöcke noch andere Gegenstände zum Schlagen tragen. Nach eigenen Aussagen habe er das Lager so ausgerüstet, wie er sein Bataillon bei der Wehrmacht ausgerüstet hätte – er beschaffte nach Aussagen Überlebender Kleidung, veranlasste eine ausgelagerte Krankenversorgung in Wilhelmshaven und verfügte, dass alle Häftlinge als arbeitend gemeldet werden sollten, damit größere Rationen Nahrung für die Kranken berechnet würden. Es kam zu einer Beschwerde, da Thümmel sich weigerte, Häftlinge zu Bombenräumarbeiten zu schicken. Er hielt sich jedoch auch ohne Zögern an Befehle aus dem Hauptlager Neuengamme: Die Exekution eines wegen angeblicher Sabotage zum Tode verurteilten Häftlings führte er nach militärischen Regeln durch. Nach einer Inspektion am 30. Oktober 1944 durch den Kommandanten des KZ Neuengamme, Max Pauly, wurde Thümmel aus Wilhelmshaven versetzt. Bereits während seiner Dienstzeit in Wilhelmshaven war Thümmel als Vertreter des KZ Neuengamme in Verhandlungen mit der Werft Blohm & Voss über den dortigen Einsatz von KZ- Häftlingen aufgetreten. Nach einer kurzen Zeit im Hauptlager wurde er Lagerleiter im Außenlager Meppen-Versen. Am 24. Dezember 1944 wurde Thümmel nach eigenen Aussagen ins Außenlager Salzgitter-Drütte ‚strafversetzt‘; über die näheren Umstände ist nichts bekannt. Anschließend wurde er für zwei Wochen als Lagerleiter nach Hildesheim beordert. Nach der Auflösung dieses Außenlagers im März 1945 unterstand Thümmel dem Stützpunktleiter Kurt Klebeck in Hannover. In dieser Zeit war er auch Lagerführer des Außenlagers Hannover-Limmer und vertrat Klebeck für einige Tage als Leiter des Außenlagers Hannover-Stöcken. Thümmel trat im Auftrag Paulys und Klebecks als Organisator verschiedener Räumungstransporte, unter anderem auf die Schiffe ‚Athen‘ und ‚Cap Arcona‘ in der Lübecker Bucht, in Erscheinung. Im April 1945 wurde Thümmel mit Klebeck und dem Leiter des Außenlagers Salzgitter-Drütte, Theodor Breuing, wegen Befehlsverweigerung im KZ Neuengamme vor ein SS-und Polizeigericht gestellt – die drei hatten sich in einem Gasthaus betrunken, anstatt ins Hauptlager zurückzukehren. Klebeck und Thümmel wurden freigesprochen, Breuing dagegen zum Tode verurteilt und am 24. April 1945 hingerichtet.
Im britischen Militärgerichtsprozess zu den Verbrechen im Außenlager Alter Banter Weg wurde Thümmel am 6. März 1947 zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Nach seiner vorzeitigen Entlassung 1950 lebte er als Landwirt und Geflügelzüchter in Hollingstedt im Kreis Schleswig. 1963 wurde gegen Thümmel und Klebeck wegen Anstiftung zum Mord während der Auflösung des Außenlagers Hannover-Stöcken ermittelt. Das Verfahren wurde eingestellt, da ihnen die Tat nicht nachgewiesen werden konnte.
Dokumente und Materialien über Otto Thümmel, unter: http://media.offenes-archiv.de/ss3_2_bio_1923.pdf