Max Bonz
(12.11.1887 Potsdam - 6.6.1968)
Stellvertretender Schulleiter der Charlotte-Paulsen-Schule
Jüthornstraße 30 (Wohnadresse 1955)
Dr. Hans-Peter de Lorent hat über Max Bonz ein Portrait verfasst, das in Hans-Peter de Lorents Buch: Täterprofile. Die Verantwortlichen im Hamburger Bildungswesen unterm Hakenkreuz. Band. 3. Hamburg 2019 erschienen und im Infoladen der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg erhältlich ist. Hier der Text:
„Der Widerstand gegen eine aktive Mitarbeit in der Partei war für mich umso schwieriger, als die Geschäftsstelle der Partei direkt neben meiner Wohnung lag und jede meiner Handlungen kontrolliert wurde.“
Einer derjenigen, die am 1.5.1933 in die NSDAP eintraten und daraufhin im Bereich der höheren Schulen eine Stellvertretende-Schulleiter-Stelle bekamen, war Max Bonz. Nach Ende der NS-Herrschaft behauptete er, kein Profiteur des Nationalsozialismus gewesen zu sein und führte Beispiele an, wie in anderen Entnazifizierungsverfahren auch, dass er seiner christlichen Überzeugung treu geblieben sei und stets in Auseinandersetzung mit der NSDAP und der HJ gestanden habe. Wie viele andere auch wurde er als Studienrat nach einer relativ kurzen Phase der Überprüfung wieder in den Schuldienst übernommen.
Max Bonz wurde am 12.11.1887 in Potsdam geboren. Zum „Stand des Vaters“ gab er in einem Fragebogen 1951 an: „Lederzurichtereibesitzer“.[1]
Auch von Max Bonz ist keine Personalakte mehr erhalten, sodass sein Werdegang mithilfe anderer Quellen rekonstruiert werden muss.
Max Bonz hatte seine Schulausbildung mit dem Abitur an der Oberrealschule in Berlin-Steglitz abgeschlossen, anschließend an der Universität in Berlin Mathematik, Physik und Chemie studiert und am 29.1.1912 die erste Staatsprüfung abgelegt. 1912 wurde auch seine Untauglichkeit für den Kriegsdienst festgestellt.
Max Bonz war verheiratet und hatte zwei Kinder.[2] In der Zeit der Weimarer Republik gehörte er dem schleswig-holsteinischen Philologenverein für die höheren Schulen an. In seinem Entnazifizierungsfragebogen vermerkte er, 1908–1909 der Christlich-sozialen Partei angehört zu haben.[3]
Eine feste Anstellung fand Max Bonz am 1.4.1914.[4]
Am 1.5.1933 trat Bonz in die NSDAP ein, in der er zeitweise als Blockleiter fungierte. Mitglied im NSLB wurde er ebenfalls 1933, dem VDA gehörte er seit dem 1.11.1933 an.[5] Auf der Liste der Schulleitungen, die der neue Schulsenator Karl Witt im Sommer 1933 vorlegte, war Max Bonz als Stellvertretender Schulleiter der Charlotte-Paulsen-Schule verzeichnet.[6] Der Zusammenhang zwischen dem Parteieintritt und der Benennung als stellvertretender Schulleiter wurde damit augenscheinlich.
Am 12.9.1945 wurde Max Bonz von Schulsenator Heinrich Landahl suspendiert, am 23.11.1945 entlassen.[7] Bonz hatte in seinem Entnazifizierungsfragebogen am 30.11.1945, der von OSR Heinrich Schröder als Zeuge gegengezeichnet war, seine Mitgliedschaften aufgelistet. Darin notierte er auch, am 1.8.1939 zum Oberstudienrat befördert worden zu sein, als der amtierenden Schulleiter, Walter Lohse in den Krieg zog und Max Bonz die Schule bis Mai 1945 kommissarisch leitete.[8]
Überraschend war dabei die Haltung von Heinrich Schröder. Am 10.7.1946 verfasste er ein Gutachten über Bonz, in dem es hieß:
„Herr Bonz trat bereits 1933 in die Partei ein. Damals glaubte er an den Nationalsozialismus. 1934–1935 war er sogar aktiv als Blockleiter tätig. Ob seine Beförderung zum Oberstudienrat 1939 auf politische Zuverlässigkeit oder auf seine fachliche und pädagogische Tüchtigkeit zurückzuführen ist, ist nicht festzustellen. Auf jeden Fall hat er in religiöser Beziehung, wie aus dem Gutachten hervorgeht, keine nationalsozialistischen Ansichten vertreten und sich auch in seinem Amt duldsam und tolerant gezeigt. Er ist zur Gruppe der Mitläufer zu rechnen. Darum wird als Sühnemaßnahme die Versetzung in das Amt des Studienrats vorgeschlagen und, da er ein besonders tüchtiger Lehrer ist, auch seine Wiederbeschäftigung in diesem Amt.“[9]
Möglicherweise war Max Bonz Heinrich Schröder bekannt gewesen. Der Berufungsausschuss unter Vorsitz von Clara Klabunde folgte am 7.8.1946 der Auffassung des Personalreferenten nicht und lehnte die Berufung ab. Er begründete das damit, dass Bonz schon am 1.5.1933 Parteigenosse war, Blockleiter 1934/35 sowie Mitglied in drei anderen nationalsozialistischen Organisationen. Weiter hieß es:
„Als politischer Leiter und Pg. von 33 müsste Bonz besonders überzeugende Entlastungserklärungen beibringen. Er bringt aber vor allen Dingen Erklärungen, die seine kirchliche Einstellung und seine pädagogische Befähigung nachweisen. Mit seiner politischen Einstellung befassen die Entlastungserklärungen sich kaum. Bonz war 33 bereits fest angestellt, brauchte also wirtschaftliche Befürchtungen nicht zu haben. Er ist auch 39 zum Oberstudienrat ernannt worden, was immerhin politische Zuverlässigkeit voraussetzte. Daher kann die Wiedereinstellung nicht befürwortet werden.“[10]
Tatsächlich waren die eingereichten Leumundszeugnisse sehr positiv, was die Persönlichkeit und den „menschlichen Charakter“ von Max Bonz betraf. So schrieb Pastor Bernhard Bothmann am 22.11.1945, dass Bonz „bewusst kirchlich eingestellt war und sich manches Mal im Gegensatz zur NSDAP mutig für die Belange der evangelisch-lutherischen Kirche eingesetzt hat und verschiedene Maßnahmen der Partei scharf missbilligte. Als stellvertretender Direktor des hiesigen Lyzeums, welches auch meine älteste Tochter besucht hat, hat er auch die Jugend im christlichen Sinne unterrichtet und erzogen.“ Bothmann wies auch darauf hin, dass seine Frau „nach den Nürnberger Gesetzen als Volljüdin galt, und Bonz stets freundschaftlich zu uns eingestellt war“.[11]
Auch das Kollegium der ehemaligen Oberschule für Mädchen in Wandsbek, jetzt Charlotte-Paulsen-Schule, gab eine Stellungnahme ab mit dem Ziel, dass Max Bonz in sein Amt als Studienrat wieder eingesetzt werden sollte. Realistisch wurde wohl eingeschätzt, dass er nicht wieder Oberstudienrat und stellvertretender Schulleiter werden könnte. Es hieß:
„Wir haben Herrn Bonz in langjähriger Zusammenarbeit als äußerst gewissenhaften, pflichtbewussten Menschen und sehr befähigten Lehrer kennen und schätzen gelernt. In den schwierigen Kriegsjahren hat er als stellvertretender Leiter sich besondere Verdienste um die Schule erworben. Obwohl Herr Bonz seit dem 1. Mai 1933 Parteimitglied war, hat er nie nationalsozialistische Propaganda betrieben und niemanden seiner Ansichten wegen verfolgt. Er hat auch niemals die beiden einzigen Kolleginnen, die nicht in der Partei waren, zum Eintritt in diese zu veranlassen versucht. Er war etwas über ein Jahr Blockleiter, aber da er aus religiösen Gründen öfter Schwierigkeiten mit dem Ortsgruppenleiter hatte, legte er den Posten nieder. Eine Beförderung zum Zellenleiter lehnte er ab.“[12]
Die Frage ist, welchen Stellenwert eine solche Eingabe hatte, die von 15 Personen des Kollegiums unterschrieben worden war, von denen selbst 13 Personen der NSDAP angehört hatten.
Und welchen Aussagewert hatte das Gutachten der zwischenzeitlichen Oberstudiendirektorin in der Elise-Averdieck-Schule, an der Max Bonz „für nur gut einen Monat als Studienrat tätig gewesen war“, wie Frau Happel-Rohwedder in ihrem Leumundszeugnis voranstellte. Auf dieser knappen empirischen Basis urteilte sie weitreichend:
„Herr Bonz hat sich sehr schnell das volle Vertrauen des Kollegiums und der Schülerschaft erworben. Seine vorbildliche Bescheidenheit und Treue in der Pflichterfüllung, seine natürliche Freundlichkeit, gepaart mit sicherem Wissen gewannen ihm ungewöhnlich schnell unser aller Achtung und Zuneigung. Darum traf uns seine Entlassung aus dem Schuldienst wie ein schwerer Schlag, denn er war in diesen kurzen Wochen schon völlig mit der Schule verwachsen. Wir bedauern es außerordentlich, ihn verloren zu haben umso mehr, als wir vermuten, dass er in den vergangenen Jahren keineswegs besonders aktivistisch in der Partei tätig gewesen ist.“[13]
Vermutungen nach dem einmonatigen Kennenlernen, was sollte ein Entnazifizierungsausschuss damit anfangen?
Max Bonz hatte natürlich auch Stellung genommen und versucht, sich zu erklären und zu verteidigen. So schrieb er über die Motive seines früheren Eintritts in die NSDAP:
„Ich glaubte in dieser Partei die sozialistischen und vor allem religiösen Anschauungen verwirklicht zu sehen, die ich schon als Student durch meine Zugehörigkeit zur christlich-sozialen Partei (Stöcker-Partei) vertrat, denn Punkt 24 des Programms der NSDAP gibt das ,positive Christentum‘ als Grundlage der Partei an. Ich konnte damals nicht wissen, dass die Partei unter ,positivem Christentum‘ etwas ganz anderes verstand.“[14]
Bonz äußerte sich auch zu seiner kurzen Funktionärstätigkeit und gab eine ungewöhnliche Erklärung dafür ab, warum es ihm schwer gefallen war, sich zu distanzieren:
„Erst nach wiederholten Aufforderungen des Ortsgruppenleiters erklärte ich mich schließlich Ende Januar 1934 bereit, als Blockleiter Beiträge einzusammeln und Karten für Festlichkeiten zu verkaufen. Eine politische Tätigkeit habe ich weder in dieser Zeit, noch später ausgeübt, besonders deshalb nicht, weil zu dieser Zeit schon eine innere Einstellung gegen die Partei einsetzte. Infolge meiner christlichen Einstellung ergaben sich sofort Schwierigkeiten mit dem Ortsgruppenleiter und anderen Parteigenossen, so dass ich meine Beförderung zum Zellenleiter ablehnte und wegen meiner durch das Christentum bedingten Einstellung gegen die Partei einen schriftlichen Antrag auf Entlassung aus meiner Stellung als Blockleiter einreichte. Der Widerstand gegen eine aktive Mitarbeit in der Partei war für mich umso schwieriger, als die Geschäftsstelle der Partei direkt neben meiner Wohnung lag und jede meiner Handlungen kontrolliert wurde. Da ich selbst als alt-eingesessener Wandsbeker schon vor 33 zur Mitarbeit an öffentlichen Einrichtungen herangezogen worden war, sah man meine Weigerung zur Mitarbeit als Gegnerschaft zur NSDAP an.“[15]
Absurd auch eine andere Behauptung von Max Bonz:
„Meine Beförderung zum Oberstudienrat am 1.8.1939 steht in keinem Zusammenhang mit meiner Zugehörigkeit zur NSDAP, denn sie war mir schon eineinhalb Jahre vorher bei der Übernahme der stellvertretenden Leitung der Oberschule für Mädchen in Wandsbek durch den Präses der Schulverwaltung in Hamburg, Herrn Oberschulrat Dr. Oberdörffer, zugesagt worden.“[16] Warum wohl?
Es ist auffällig, wie sehr die Blockleiter-Tätigkeit marginalisiert wurde. Sie war sicherlich auch in Wandsbek nicht darauf zu reduzieren, lediglich Beiträge zu sammeln und Karten zu verkaufen.
Max Bonz zeigte früh seine Verzweiflung:
„Da ich selbst 59 Jahre alt bin, durch die Kriegseingriffe in meine Familie körperlich und seelisch gebrochen, bedeutet die rechtlose Entlassung aus meinem Beruf, den ich mir unter den schwierigsten Verhältnissen, da mein Vater Arbeiter war, erschaffen habe, für meine Familie die Zerstörung. Ich betone dabei immer wieder, dass ich mich nie politisch in der NSDAP betätigt habe, im Gegenteil habe ich dauernd Schwierigkeiten mit der Partei gehabt.“[17]
Der Beratende Ausschuss für die höheren Schulen Hamburgs urteilte zu Gunsten von Max Bonz: „Wir bleiben bei unserer Äußerung vom 15.7.1946 und halten ihn für tragbar in der Stellung eines Studienrates. Herr Oberschulrat Merck schildert ihn als pflichtgetreu und überkorrekt, gelegentlich sogar pedantisch. Er ist ein selbstloser, fähiger Lehrer, ein im innersten unpolitischer Mensch, der beim Wiederaufbau eine gute Arbeit wird leisten können.“[18]
Dem schloss sich dann der Berufungsausschuss 17 für die Ausschaltung von Nationalsozialisten unter Vorsitz von Rechtsanwalt Soll an, der für milde Urteile bekannt war. Einerseits wurde auf den frühen Parteieintritt von Max Bonz hingewiesen, aber auch vermerkt: „Zu seinen Gunsten spricht jedoch, dass er Schülern jüdischer Abstammung geholfen und sich manches Mal mutig gegen die NSDAP für die Kirche eingesetzt hat.“[19] Und weiter:
„In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Schulverwaltung und des Beratenden Ausschusses war der Berufungsausschuss daher der Auffassung, dass Bonz als Studienrat tragbar sei und hat ihm lediglich die 1939 erfolgte Beförderung zum Oberstudienrat aberkannt. Seine Einstufung in die Kategorie IV erfolgte wegen des frühen Beitritts zur NSDAP im Mai 1933 und weil der Berufungsausschuss der Ansicht war, dass der frühe Beitritt und die Tätigkeit als Blockleiter bei seiner Beförderung zum Oberstudienrat im Jahre 1939 von Bedeutung gewesen sind.“[20]
Daraufhin wurde Bonz wieder als Studienrat eingestellt und ab dem 1.4.1951 an der Klosterschule tätig.21
1951 stellte er noch einmal den Antrag, in Kategorie V überführt zu werden, wie alle anderen Personen zum Abschluss der Entnazifizierung, um wieder als Oberstudienrat anerkannt und besoldet zu werden.[22] Da seine Personalakte nicht mehr vorhanden ist, kann nur vermutet werden, dass dies, wie in anderen Fällen auch, wieder so vollzogen wurde.
Max Bonz wurde am 1.4.1953 pensioniert[23] und starb am 6.6.1968.[24]
Text: Hans-Peter de Lorent