Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Gertrud Werner

(31.1.1887 Bromberg – August 1971)
Von 1912–1957 Hebamme in Allermöhe.
Allermöher Elbdeich 50 (Wohn- und Wirkungsstätte)
Namensgeberin für: Gertrud-Werner-Weg (seit 1984)


Gertrud Marie Charlotte Werner wuchs in Schneidemühl, heute Pila, auf und ließ sich zur Lehrerin ausbilden. Eine Liebesbeziehung zum Schuldirektor ihrer Schule beendete ihre Karriere als Lehrerin: sie wurde aus dem Schuldienst entlassen, als ihre Schwangerschaft bekannt wurde. Gertrud Werner zog nach Hamburg, wo ihr Sohn Hubert Franz im Januar 1912 zur Welt kam.
Da Hamburg in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg Hebammen zur Versorgung der Landbevölkerung suchte, erlernte Gertrud Werner diesen Beruf. 1913 stellte ihr der Hamburgische Staat ein kleines Haus in den Marschlanden am Allermöher Deich zur Verfügung und bezahlte ihr ein geringes Grundgehalt. Gertrud Werner war nun als Hebamme für die Gebiete Allermöhe, Reitbrook, Moorfleet und einen Teil von Fünfhausen zuständig.
Wenn bei einer Frau die Geburt eines Kindes anstand, musste Gertrud Werner bei jedem Wetter und zu jeder Tageszeit zu Fuß in die Häuser der Gebährenden. Nach der Entbindung kam sie noch zehn Mal zu den Wöchnerinnen, um sie zu untersuchen und die Entwicklung der Säuglinge zu überwachen.
Frauen, die keine Möglichkeit hatten, bei sich zu Hause zu entbinden oder ledige schwangere Frauen – auch aus dem weiteren Umkreis – kamen zur Geburt ins Haus von „Mudder Griebsch“ – wie Gertrud Werner auch genannt wurde. Dort durften sie nach der Entbindung noch zehn Tage bleiben. Für die Säuglinge der ledigen Frauen konnte Gertrud Werner auf Wunsch Pflegeeltern vermitteln. So kam 1929 auch Erna Fedde aus Nordfriesland zu Gertrud Werner, um bei ihr ihren Sohn zur Welt zu bringen. Die beiden Frauen wurden Freundinnen, Erna Fedde blieb und versorgte den Haushalt. Sie kochte für die Kinder und die Frauen, die zur Geburt und Nachsorge gekommen waren.
Da Hebammen auch damals für Geburt und Nachsorge nur wenig Geld erhielten, nahmen die beiden Frauen Pflegekinder auf. So lebten, nachdem die Söhne von Gertrud und Erna im Zweiten Weltkrieg getötet worden waren, bis Ende der 1940-er Jahre Pflegekinder am Allermöher Deich.

In der NS-Zeit war Gertrud Werner am 1. Mai 1937 der NSDAP beigetreten. Mitgliedsnummer: 3986474. [1]
1946 ging Erna Fedde zurück nach Nordfriesland, um ihre kranke Mutter zu pflegen. Gertrud Werner verschrieb sich ganz ihrem Beruf und bot auch in der Nachkriegszeit vielen ledigen schwangeren Frauen eine Zuflucht.
Nachdem sie das Rentenalter erreicht hatte, arbeitete sie noch weitere fünf Jahre als Hebamme. 1957, inzwischen 70 Jahre alt, gab sie ihren Beruf auf.

Text: Rita Bake