Anregung zum öffentlichen Diskurs
Verbrecherische Systeme funktionieren nur dann, wenn Menschen an ihnen mitwirken, wenn Menschen sich entscheiden dabei zu sein, nahe dran zu sein, davon zu profitieren oder gar mit zu gestalten. Die Durchsetzung von Gewaltherrschaft benötigt Handelnde: Täterinnen und Täter; und sie benötigt Wegsehende und dadurch stumm Zustimmende oder nicht Widersprechende.
Die vielfältigen Verstrickungen von Hamburgerinnen und Hamburgern in die Durchsetzung der Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus in unserer Stadt ist Grundlage für die Einrichtung dieses elektronischen Nachschlage- und Informationssystems.
Die Landeszentrale für politische Bildung möchte mit dieser Datenbank eine Plattform bieten, mit der wissenschaftlich weitergearbeitet werden kann, indem weitere Profile der Dabeigewesenen hineingestellt werden. Sie möchte mit der Datenbank einen Anschub leisten, sich in unserer Stadt verstärkt mit den Dabeigewesenen zu beschäftigen. Mittels eines topografischen Zugangs zu den Lebens- und Wirkungsadressen der Dabeigewesenen sollen diese Daten einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Dabeigewesenen waren Nachbarn, Arbeitskolleginnen und -kollegen, Bekannte, Freundinnen und Freunde der Kinder. Sie waren keine Fremden, sondern sie gehörten zum vertrauten Umfeld. Zumindest waren sie ebenso wie viele Opfer ihrer Taten Bürgerinnen und Bürger der Stadt. Oder sie maßten sich an, als Menschen dieser Stadt im sog. Tausendjährigen Reich hierher verschleppte Menschen auszubeuten, zu erniedrigen oder gar zu töten.
Die Landeszentrale hat nicht den Anspruch, mit dieser Datenbank eine umfassende Darstellung der bisher erfolgten wissenschaftlichen Aufarbeitung der im Nationalsozialismus in Hamburg agierenden Täterinnen und Täter und der anderen Dabeigewesenen zu bieten. Es ist weder die Aufgabe noch die finanzielle oder organisatorische Möglichkeit einer Landeszentrale, selbst umfassende wissenschaftliche Arbeiten auf diesem Gebiet durchzuführen.
Aber sie kann Themen in den Diskurs in der Stadt stellen – im Rahmen wissenschaftlich fundierter politischer Bildung. Die Landeszentrale hofft genau deswegen auf eine rege Nutzung der Datenbank, auf vielfältige Anregungen und Überlegungen sowie auf eine Bürgerdebatte über den Umgang unserer Stadt mit den Dabeigewesenen und mit deren Opfern.
Daher gibt die Landeszentrale auch keine Empfehlung ab zum Umgang mit Straßennamen, mit Denkmäler, mit Gedenkschriften o.ä. Diese in vielen deutschen Städten aktuelle Thematik einer aktiven Erinnerungskultur kann in Hamburg für die Bürgerinnen und Bürger, die politisch und in der Verwaltung Handelnden und darüber hinaus für alle Interessierten mittels der Datenbank neu diskutiert werden. Ob sich daraus weitere Forschungen entwickeln, muss auch in diesem öffentlichen Diskurs und in den wissenschaftlichen Institutionen der Stadt entschieden werden.
Dr. Sabine Bamberger-Stemmann
Direktorin der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg